Ein heiliger Ort voller Erinnerungen
Stell dir vor, du stehst am Ufer des Jordan-Flusses. Das Wasser plätschert sanft, aber dieser Ort ist alles andere als gewöhnlich. Hier, bei Bethabara jenseits des Jordans, predigte und taufte Johannes der Täufer. Aber dieser Ort war schon lange vorher heilig gewesen.
Nicht weit von hier hatte Gott einst ein gewaltiges Wunder getan: Er hatte das Wasser des Jordan aufgehalten, damit das Volk Israel trockenen Fußes hindurchgehen konnte. Die Priester trugen die Bundeslade, und sobald ihre Füße das Wasser berührten, teilte sich der Fluss wie eine Mauer. Millionen von Menschen - Männer, Frauen, Kinder, Tiere - zogen durch das trockene Flussbett ins verheißene Land.
In der Nähe lag auch Jericho, die mächtige Festung mit den unüberwindbaren Mauern. Aber vor Gottes Macht waren sie wie Spielzeug zusammengefallen. Sieben Tage lang waren die Israeliten um die Stadt marschiert, dann hatten sie geschrien - und die Mauern stürzten ein.
All diese gewaltigen Erinnerungen wurden wieder lebendig, als Johannes hier predigte. Die Menschen fragten sich: „Würde der Gott, der damals so wunderbar gewirkt hatte, wieder seine Macht zeigen? Würde er Israel wieder befreien - diesmal von den Römern?"
Die Botschaft, die alles veränderte
Johannes' Predigten waren wie Donner, der durch das ganze Land hallte. Seine Worte drangen in die entlegensten Bergdörfer, erreichten die Fischer am See Genezareth, bewegten die Herzen in Jerusalem. Überall sprachen die Menschen von dem wilden Propheten am Jordan.
„Kehrt um!", rief er mit donnernder Stimme. „Das Himmelreich ist nahe! Bereitet dem Herrn den Weg!"
Die Menschen strömten zu ihm - Tausende jeden Tag. Bauern ließen ihre Felder zurück, Handwerker ihre Werkstätten, Kaufleute ihre Geschäfte. Alle wollten hören, was dieser außergewöhnliche Mann zu sagen hatte.
Die Sorgen der Machthaber
In Jerusalem wurden die religiösen Führer nervös. Jede große Menschenansammlung machte die Römer misstrauisch - sie fürchteten Aufstände. Und die jüdischen Obersten hatten Angst, ihre Macht zu verlieren.
Johannes war ein Problem für sie. Er hatte nie um Erlaubnis gefragt, zu predigen. Er erkannte ihre Autorität nicht an. Schlimmer noch: Er kritisierte sie öffentlich! Er nannte die Pharisäer und Sadduzäer „Schlangenbrut" und forderte sie auf, Buße zu tun.
Trotzdem folgten ihm die Menschen mit wachsender Begeisterung. Die Macht des Hohen Rates bröckelte.
Der mächtige Hohe Rat
Der Hohe Rat oder Sanhedrin war das höchste Gericht der Juden. Ihm gehörten 71 der gelehrtesten und angesehensten Männer des Volkes an: Priester, Schriftgelehrte, Älteste. Der Hohepriester führte den Vorsitz.
Diese Männer mussten im besten Alter sein, verheiratet, Väter von Kindern. Sie sollten nicht nur in der jüdischen Religion bewandert sein, sondern auch in den allgemeinen Wissenschaften. Körperliche Gebrechen durften sie nicht haben - sie sollten die Elite des Volkes repräsentieren.
Ihr Versammlungsort war ein prächtiger Raum, der mit dem Tempel verbunden war. Obwohl sie jetzt unter römischer Herrschaft standen, hatten sie noch immer großen Einfluss in religiösen und bürgerlichen Angelegenheiten.
Die Untersuchungskommission
Der Hohe Rat konnte Johannes nicht länger ignorieren. Einige erinnerten sich an die alte Prophezeiung über Johannes als Vorläufer des Messias. Die Zeit war reif - die siebzig Wochen aus Daniels Prophezeiung, die das Kommen des Messias ankündigten, waren fast abgelaufen.
Aber die meisten Ratsmitglieder scheuten sich, selbst zu Johannes zu gehen. Sie fürchteten seine scharfen Worte, die ihre Sünden aufdecken würden. Stattdessen sandten sie eine offizielle Delegation von Priestern und Leviten.
Die Konfrontation am Jordan
Als die Abgeordneten des Hohen Rates sich dem Jordan näherten, bot sich ihnen ein beeindruckendes Bild. Eine riesige Menschenmenge lauschte gebannt den Worten des Johannes. Der Prophet stand im seichten Wasser, sein wildes Haar wehte im Wind, seine Augen brannten vor Leidenschaft.
Die hochmütigen Rabbiner trugen ihre prächtigen Gewänder zur Schau. Sie wollten das Volk beeindrucken und Respekt vom Propheten erzwingen. Ehrfürchtig teilte sich die Menge und ließ sie durch. Diese großen Männer in ihrem selbstbewussten Stolz standen nun vor dem „Prediger in der Wüste".
Das Verhör
„Wer bist du?", fragten sie Johannes direkt.
Johannes, der ihre Gedanken durchschaute, antwortete sofort: „Ich bin nicht der Christus."
Sie bohrten weiter: „Was denn? Bist du Elia?"
„Ich bin es nicht."
„Bist du der Prophet?"
„Nein."
Die Priester wurden ungeduldig: „Was bist du denn? Wir müssen denen, die uns gesandt haben, eine Antwort geben. Was sagst du von dir selbst?"
Die demütige Antwort
Johannes antwortete mit den Worten des Propheten Jesaja: „Ich bin eine Stimme, die in der Wüste ruft: Bereitet dem Herrn den Weg!"
Er zitierte jene herrliche Prophezeiung: „Tröstet, tröstet mein Volk! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden. Denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden!"
In der Antike schickten Könige Arbeiter vor ihrem Wagen her, um die Straßen zu ebnen - Schlaglöcher zu füllen, Steine wegzuräumen, damit der königliche Wagen ungehindert fahren konnte. So sah Johannes seine Aufgabe: Er sollte die Herzen der Menschen für den König der Könige vorbereiten.
Die tiefere Bedeutung
„Alle Täler sollen erhöht werden" - das bedeutete: Die Demütigen sollten erhöht werden. „Alle Berge sollen erniedrigt werden" - der menschliche Stolz sollte gebrochen werden.
Wenn der Geist Gottes ein Herz berührt, verlieren weltliche Vergnügungen, Macht und menschliche Ehre ihren Glanz. Demut und selbstlose Liebe, die sonst wenig geschätzt werden, stehen dann hoch im Wert.
Weitere Fragen
Die Schriftgelehrten gaben nicht auf: „Warum taufst du denn, wenn du nicht der Christus bist, noch Elia, noch der Prophet?"
Mit „dem Propheten" meinten sie Mose. Die Juden glaubten, Mose würde von den Toten auferstehen. Sie wussten nicht, dass er längst auferstanden war. Viele dachten, Johannes sei der auferstandene Mose, weil er so genau die Prophezeiungen und die Geschichte Israels kannte.
Sie erwarteten auch, dass Elia persönlich vor dem Messias erscheinen würde. Johannes verneinte das - aber seine Worte hatten eine tiefere Bedeutung. Jesus sagte später: „Wenn ihr es annehmen wollt: Er ist der Elia, der kommen soll." Johannes kam im Geist und in der Kraft des Elia.
Die dramatische Ankündigung
Plötzlich, während Johannes noch auf ihre Frage antwortete, überflog sein Blick die Menge. Seine Augen strahlten auf, sein Gesicht leuchtete, sein ganzes Wesen war von tiefer Bewegung erfüllt.
Mit ausgestreckten Händen rief er: „Ich taufe mit Wasser; aber er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennt! Er ist es, der nach mir kommt, und ich bin nicht wert, dass ich seine Schuhriemen löse!"
Das war eine klare, unmissverständliche Botschaft für den Hohen Rat. Der Messias war da! Er befand sich unter ihnen!
Bestürzt blickten die Priester und Obersten um sich. Wer war es? Unter der großen Menschenmenge konnten sie ihn nicht ausmachen.
Das Lamm Gottes
Am nächsten Tag geschah etwas Außergewöhnliches. Johannes sah Jesus herankommen - den Mann, den er bei der Taufe als Gottes Sohn erkannt hatte. Erfüllt von der Herrlichkeit Gottes streckte der Prophet seine Hände aus und rief:
„Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt!"
Diese Worte warfen neues Licht auf die Mission des Messias. Johannes dachte an die Worte Jesajas: „Wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird." Der Messias würde nicht nur als siegreicher König kommen, sondern zuerst als leidendes Opfer.
Die Enttäuschung der Menge
Die Menschen waren verwirrt. War das der Messias? Mit heiliger Scheu blickten sie auf den, der als Sohn Gottes bezeichnet worden war. Aber er sah so gewöhnlich aus! Einfache Kleidung, keine königlichen Insignien, keine Macht zur Schau gestellt.
Einige hatten bei seiner Taufe die göttliche Herrlichkeit gesehen und Gottes Stimme gehört. Aber seitdem hatte sich sein Aussehen stark verändert. Bei der Taufe war sein Gesicht vom Himmelslicht verklärt gewesen - jetzt war es bleich, matt und abgezehrt von den vierzig Tagen in der Wüste.
Dennoch sahen die Menschen etwas Besonderes in seinem Gesicht: göttliches Erbarmen, verbunden mit bewusster Stärke. Jeder Blick sprach von Demut und unermesslicher Liebe. Ein starker geistlicher Einfluss ging von ihm aus.
Warum in Armut?
Jesus kam bewusst in Armut und Erniedrigung. Wäre er in königlicher Pracht erschienen, wie hätte er Demut lehren können? Wie hätte er die durchdringenden Wahrheiten der Bergpredigt verkünden können? Wo wäre die Hoffnung der Armen und Unterdrückten geblieben?
Aber die Menge konnte nicht glauben, dass dieser einfache Mann ihre hochfliegenden Erwartungen erfüllen sollte. Viele waren enttäuscht und verwirrt.
Die Worte, die Priester und Rabbiner so gern hören wollten - dass Jesus die Königsherrschaft in Israel wiederaufrichten würde - blieben ungesprochen. Einen König, der nur ein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens in ihren Herzen errichten wollte, würden sie nicht annehmen.
Die ersten Jünger
Am nächsten Tag stand Johannes wieder am Jordan. Zwei seiner Jünger waren bei ihm: Andreas und Johannes, der spätere Evangelist. Als Jesus vorüberging, hellte sich Johannes' Blick wieder auf, und er rief: „Siehe, das ist Gottes Lamm!"
Diese Worte ergriffen die Herzen der beiden Jünger. Obwohl sie nicht ganz verstanden, was „Gottes Lamm" bedeutete, spürten sie: Das war etwas Gewaltiges.
Getrieben von einem unwiderstehlichen Gefühl verließen sie Johannes und folgten Jesus. Sie waren ehrfürchtig und überwältigt von dem Gedanken: Ist das wirklich der Messias?
Die erste Begegnung
Jesus wusste, dass ihm die Jünger folgten. Sie waren die Erstlingsfrüchte seines Wirkens, und sein Herz freute sich über diese ersten Seelen, die sich von seiner Gnade bewegen ließen.
Er drehte sich um und fragte freundlich: „Was sucht ihr?"
Er wollte ihnen die Freiheit lassen, umzukehren oder ihren Wunsch auszusprechen.
Die Jünger waren so überwältigt von seiner Gegenwart, dass sie kaum sprechen konnten. Sie stammelten: „Rabbi, wo wohnst du?"
In einem kurzen Gespräch am Weg konnten sie nicht empfangen, wonach sie sich sehnten. Sie wollten mit Jesus allein sein, zu seinen Füßen sitzen und seine Worte hören.
Jesus lächelte und sagte: „Kommt und seht!"
Ein unvergesslicher Tag
Sie kamen und sahen - und blieben den ganzen Tag bei ihm. Was für ein Tag das gewesen sein muss! Stunde um Stunde saßen sie zu Jesu Füßen und lauschten seinen Worten.
Wären sie skeptisch und kritisch gewesen wie die Priester und Obersten, hätten sie diese Gelegenheit verpasst. Aber sie hatten offene Herzen. Sie hatten dem Ruf des Heiligen Geistes in Johannes' Predigt Gehör geschenkt und erkannten nun auch die Stimme des himmlischen Lehrers.
Jesu Worte waren voller Frische, Wahrheit und Schönheit. Göttliche Erleuchtung erhellte die alttestamentlichen Schriften und ließ sie in völlig neuem Licht erscheinen.
Simon Petrus wird gefunden
Andreas konnte seine Freude nicht für sich behalten. Er suchte seinen Bruder Simon und rief aufgeregt: „Wir haben den Messias gefunden!"
Simon brauchte keine weitere Ermutigung. Auch er hatte Johannes' Predigt gehört und eilte zu Jesus.
Als Jesus Simon ansah, erkannte er sofort seinen Charakter und seinen Lebensweg. Seine leidenschaftliche Natur, sein liebendes Herz, seinen Ehrgeiz und sein Selbstvertrauen. Er sah auch voraus: Simons Fall, seine Reue, sein späteres Wirken und sogar seinen Märtyrertod.
„Du bist Simon, des Johannes Sohn", sagte Jesus. „Du sollst Kephas heißen" - das bedeutet: Fels.
Welch eine Prophezeiung! Der impulsive, unbeständige Fischer würde einmal fest wie ein Fels werden. Jesus sah nicht nur Simons Schwächen, sondern auch sein gewaltiges Potenzial.
In diesem Moment konnte Simon nichts von seiner zukünftigen Bedeutung ahnen. Er war ein einfacher Fischer von Betsaida, gewohnt an harte Arbeit am See Genezareth. Seine Hände waren rau von Netzen und Rudern, sein Gesicht wettergebräunt, seine Natur leidenschaftlich und ungestüm.
Jesus blickte tief in seine Seele. Er sah Simons Temperament - schnell im Reden, schnell im Handeln. Er würde Jesus dreimal verleugnen, aber auch als erster bekennen, wer Jesus wirklich war. Er würde fallen und wieder aufstehen. Seine Liebe würde größer sein als seine Fehler.
Der Name Kephas - aramäisch für Fels - war mehr als nur ein Name. Es war eine Prophezeiung, eine Verheißung. Jesus sah bereits den Mann, der die frühe Gemeinde prägen würde. Den Prediger, der Tausende zum Glauben führen würde. Den Märtyrer, der für seinen Glauben sterben würde.
In diesem Moment war Simon nur ein Fischer. Aber Jesus sah den Apostel, den Hirten, den Felsen, auf dem er seine Gemeinde bauen würde.
Eine Transformation stand bevor - von Simon zu Petrus, vom unbeständigen Fischer zum unerschütterlichen Felsen des Glaubens.
Philippus und der Ruf
Am nächsten Tag wollte Jesus nach Galiläa reisen. Unterwegs traf er Philippus und sprach zu ihm: „Folge mir nach!"
Philippus war sofort bereit. Ohne zu zögern, bekannte er sich als Mitstreiter Christi. Er spürte: Dies war keine gewöhnliche Begegnung. Dies war eine Einladung, die sein Leben für immer verändern würde.
Nathanael - Der Skeptiker
Philippus eilte zu seinem Freund Nathanael. „Wir haben den gefunden, von dem Mose und die Propheten geschrieben haben!", rief er aufgeregt.
Nathanael war skeptisch. „Jesus von Nazareth?", fragte er zweifelnd. „Was kann Gutes aus Nazareth kommen?"
Philippus ließ sich nicht entmutigen. „Komm und sieh!", sagte er einfach.
Die überraschende Begegnung
Als Nathanael zu Jesus kam, geschah etwas Unerwartetes. Jesus sah ihn an und sagte: „Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist!"
Nathanael war verblüfft. „Woher kennst du mich?", fragte er.
Jesus antwortete: „Bevor Philippus dich rief, sah ich dich unter dem Feigenbaum."
In diesem Moment verstand Nathanael: Dies war kein gewöhnlicher Mensch. Dies war der Messias!
„Rabbi", rief er, „du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel!"
Jesu wunderbare Antwort
Jesus lächelte. „Du glaubst, weil ich dir sagte, dass ich dich unter dem Feigenbaum sah? Du wirst noch Größeres sehen!"
Dann fügte er eine geheimnisvolle Verheißung hinzu: „Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes auf- und niedersteigen über dem Menschensohn."
Die Bedeutung der Berufung
Diese erste Gruppe von Jüngern zeigte etwas Wichtiges: Gott ruft normale Menschen. Fischer, Handwerker - keine Gelehrten oder Priester.
Jeder kann Jesus nachfolgen - unabhängig von Herkunft, Bildung oder Status.
Was wir lernen können
Sei offen für Gottes Ruf
Überwinde Zweifel
Teile deine Entdeckungen
Vertraue Gottes Führung
Eine Botschaft für heute
Jesus ruft auch heute: „Komm und folge mir!" Er möchte eine persönliche Beziehung mit dir.
Ein Gebet
„Lieber Jesus, öffne meine Augen und mein Herz für deinen Ruf. Hilf mir, dir zu folgen. Amen."
Die himmlische Verbindung
Jesus öffnete den Himmel. Engel steigen auf und ab - sie bringen Gottes Segen, Hoffnung und Hilfe.
Durch Jesus sind wir mit Gott verbunden. Er ist der Mittler zwischen Himmel und Erde.