Der kleine Bär und sein erster Schultag
Es war ein herrlicher Spätsommertag im Wald. Die Sonne schien warm durchs dichte Blätterdach, und überall summten Bienen und flatterten Schmetterlinge. Brummelo, der kleine Bär, sprang fröhlich über die Wiesen. Mit seinen Freunden, dem Eichhörnchen Flitz und dem Hasen Hopsi, spielte er Fangen und Verstecken zwischen den Brombeersträuchern. Sie lachten und kugelten sich durchs hohe Gras, bis ihre Bäuche ganz rund und ihre Wangen glühend rot waren.
Am Abend kehrte Brummelo müde, aber glücklich zur Höhle zurück. Seine Mama hatte duftenden Beerenbrei gekocht, und Papa Bär erzählte beim Essen eine seiner liebsten Geschichten: von dem Tag, an dem er als junger Bär gegen einen riesigen, knurrenden Bären gekämpft hatte — der sich am Ende als sein eigener Spiegel im See entpuppte. Brummelo kicherte jedes Mal, wenn er daran dachte. Alles war so vertraut und schön — so, wie Brummelo es liebte.
Doch als er sich später in sein weiches Moosbett kuschelte, fiel sein Blick auf den geflochtenen Ranzen in der Ecke. Morgen würde er ihn das erste Mal auf den Rücken schnallen. Morgen … war sein erster Schultag. Plötzlich kribbelte es in seinem Bauch. Fragen schossen ihm durch den Kopf: „Wie wird es in der Schule wohl sein? Sind die Lehrer nett? Finde ich neue Freunde? Was, wenn ich etwas falsch mache?“ Brummelo drehte sich noch ein paar Mal hin und her, sein Herz pochte leise vor Aufregung.
Dann flüsterte er in die Dunkelheit: „Ob wohl alle Kinder so fühlen vor ihrem ersten Schultag?“ — und noch während er darüber nachdachte, glitt er langsam in einen sanften Schlaf.
Der erste Schritt hinaus
Am nächsten Morgen wachten mit ihm auch die Schmetterlinge in seinem Bauch auf …
Die Sonne blinzelte gerade erst durch die Bäume, als Mama Bär vorsichtig die Höhlentür öffnete. Ein feiner Duft von frischem Moos und Morgentau lag in der Luft. „Aufwachen, mein kleiner Schulbär“, flüsterte sie liebevoll. Brummelo rieb sich die Augen und spürte gleich wieder das Kribbeln in seinem Bauch. Doch als er den warmen Brei mit Honig und Nüssen roch, lächelte er. „Heute ist ein besonderer Tag“, sagte Mama Bär und band ihm das weiche Halstuch um, das er so gern mochte. Langsam wurde Brummelo etwas mutiger. Vielleicht wird es ja doch ein richtig schöner Tag? — dachte er, während draußen schon Flitz und Hopsi aufgeregt warteten …
Auf dem Weg zur Waldschule
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg. Flitz sprang voraus, Hopsi hoppelte neben Brummelo her, und Mama Bär lief gemütlich hinterdrein. Die Sonnenstrahlen tanzten auf dem Waldboden, und die Vögel zwitscherten fröhliche Lieder. An jeder Ecke gab es etwas zu entdecken — bunte Pilze, glitzernde Spinnennetze, duftende Blumen. Doch je näher sie der großen alten Eiche kamen, unter der die Waldschule stattfand, desto schneller klopfte Brummelos Herz. In der Ferne konnte er schon die Stimmen der anderen Tierkinder hören …
Ein herzliches Willkommen
Unter der großen alten Eiche hatten sich schon viele Tierkinder versammelt: kleine Füchse, neugierige Waschbären, kleine Wildkaninchen und verspielte Igelkinder — alle trugen bunte Tücher oder trugen kleine Körbchen voller Überraschungen und Leckereien mit sich. In der Mitte stand Frau Eule, die Lehrerin. Ihre großen, freundlichen Augen blickten aufmerksam über die Schar. Als sie Brummelo sah, breitete sie die Flügel aus und rief: „Willkommen, Brummelo! Schön, dass du da bist.“
Ein warmes Gefühl breitete sich in Brummelos Brust aus. Vielleicht war hier doch kein Grund zur Angst? Neugierig schielte er zu den anderen Kindern — und entdeckte schon das erste schüchterne Lächeln.
Ein fröhliches Namensspiel
Bevor der Unterricht begann, klatschte Frau Eule in die Flügel und rief: „Lasst uns ein kleines Spiel spielen! So lernen wir uns noch besser kennen.“ Die Tierkinder spitzten gespannt die Ohren. „Jeder stellt sich der Reihe nach vor und nennt dabei ein Tier, das er heute gern wäre — egal wie verrückt es klingt.“ Flitz kicherte: „Oh, das wird lustig!“
Das Spiel begann. „Ich bin Flitz, der starke Dachs!“, rief das kleine Eichhörnchen und hüpfte kichernd zurück. „Ich bin Hopsi, der flinke Falke!“, piepste Hopsi und breitete die Pfoten wie Flügel aus. Als Brummelo an der Reihe war, räusperte er sich mutig und sagte: „Ich bin Brummelo … die kleine Maus.“
Da prusteten die anderen los vor Lachen — ein großer, tapsiger Bär, der eine Maus sein wollte! Brummelo lachte mit, und plötzlich fühlte er sich ganz leicht und fröhlich. So viel Spaß hätte ich nie in der Schule erwartet!, dachte er vergnügt.
Ein Platz zum Lernen
Nun schlug Frau Eule ihre Flügel aus und rief: „Sucht euch einen Platz, wo ihr gut sitzen und lauschen könnt. Im Wald gibt es genug schöne Ecken!“ Da flitzten die Tierkinder durcheinander. Flitz suchte sich einen dicken Ast ganz oben im Baum. Hopsi hockte sich vergnügt mitten auf einen dicken Pilz, der unter seinem Gewicht leise quietschte. Kichernd wackelte er mit den langen Ohren. Zwei kleine Igelkinder kugelten sich in ein weiches Moosbett. Und Brummelo? Der ließ sich mitten auf eine große, von der Sonne gewärmte Baumwurzel plumpsen — genau richtig für einen kleinen Bärenpopo! Lachend rief er: „Hier ist es gemütlich!“ Und schon spürte er: Das könnte ja wirklich eine schöne Zeit werden.
Ein Herz für die Gemeinschaft
Gerade als alle gemütlich saßen, stellte Frau Eule einen kleinen Weidenkorb in die Mitte. Darin lagen viele glatte Kieselsteine, jeder sorgsam bemalt — und auf jedem war ein kleines rotes Herz. Mit ruhiger Stimme sprach Frau Eule:
„Diese Steine gehören jetzt euch. Sucht euch einen aus. Wenn ihr ihn anschaut oder in der Pfote haltet, soll er euch daran erinnern: Ihr seid hier nicht allein. In unserer Schule gehört jeder dazu, und wir halten zusammen.
Seht nur — die Steine sind alle verschieden. Es gibt rote, gelbe, grüne und blaue. Manche sind groß, andere klein. Doch jeder einzelne ist schön und wertvoll, so wie ihr es seid. Ein grüner Stein muss nicht rot sein, um besonders zu sein. Und ein roter nicht gelb. Jeder von euch ist auf seine eigene Art etwas ganz Besonderes.“
Neugierig kamen die Tierkinder herbei. Flitz wählte einen funkelnden roten Stein, Hopsi suchte sich einen grünen aus. Als Brummelo an der Reihe war, nahm er einen honiggelben Stein in seine große Tatze. Irgendwie erinnerte ihn die warme Farbe an den Honigkuchen seiner Mama, den er so sehr liebte — und schon musste er schmunzeln. Er legte ihn behutsam in seine Tasche und dachte: Mit diesem Herzstein werde ich mich immer daran erinnern: Ich bin nicht allein, und ich darf so sein, wie ich bin.
Ein Tag voller Freude
Die Stunden unter der großen alten Eiche vergingen wie im Flug. Sie sangen fröhliche Lieder, lauschten spannenden Geschichten und lernten kleine Dinge über die Natur und das Miteinander. Zwischendurch knusperten sie aus ihren Körbchen und tauschten Leckereien. Brummelo spürte kaum noch Aufregung — stattdessen war da ein warmes, fröhliches Gefühl in seinem Bauch.
Am späten Nachmittag lief er mit Flitz und Hopsi zurück zur Höhle. Kaum hatte Mama Bär die Tür geöffnet, sprudelte es schon aus ihm heraus: „Mama, die Schule ist sooo toll! Wir haben ein Spiel gespielt, einen Stein bekommen, und ich hab’ schon neue Freunde gefunden!“ Atemlos erzählte er und konnte kaum aufhören. Papa Bär schmunzelte und meinte: „Na, das klingt ja nach einem richtig guten Tag.“ Brummelo nickte eifrig. Und als er sich später müde ins Moosbett kuschelte, lag der kleine Herzstein neben ihm. Morgen freue ich mich schon wieder auf die Schule, dachte er glücklich — und schlief mit einem Lächeln ein.