Seltsame Besucher
Nach der großen Versammlung bei Sichem kehrte das Volk Israel zu seinem Lager bei Gilgal zurück. Dort wartete eine Überraschung auf sie: Eine Gruppe fremder Männer stand vor den Zelten und bat um ein Gespräch mit Josua.
Diese Männer sahen aus, als hätten sie eine unglaublich weite Reise hinter sich. Ihre Gewänder waren zerrissen und schmutzig, ihre Sandalen hingen in Fetzen an den Füßen. Die Lederbeutel, in denen sie Wasser trugen, waren geplatzt und notdürftig zusammengeflickt. Das Brot in ihren Säcken war steinhart und voller Schimmel.
"Wir kommen aus einem fernen Land", erzählten sie Josua. "Unsere Könige haben von den großen Taten eures Gottes gehört - wie er euch aus Ägypten befreit und durch das Rote Meer geführt hat. Sie haben uns geschickt, um Frieden mit euch zu schließen."
Ein gefährlicher Fehler
Josua und die anderen Anführer Israels betrachteten die zerlumpten Gestalten misstrauisch. Gott hatte ihnen streng verboten, Verträge mit den Völkern Kanaans zu schließen. Vielleicht war das hier ein Trick?
"Woher sollen wir wissen, dass ihr wirklich aus einem fernen Land kommt?", fragte Josua. "Vielleicht wohnt ihr hier ganz in der Nähe und wollt uns täuschen!"
Die Fremden zeigten auf ihre abgetragenen Sachen. "Seht doch selbst! Als wir von zu Hause aufbrachen, war unser Brot noch ofenwarm. Unsere Kleider waren neu, unsere Wasserschläuche ganz. Aber die lange Reise hat alles ruiniert."
Das klang überzeugend. Josua und die Ältesten schauten sich die Beweise an und glaubten der Geschichte. Aber sie machten einen schweren Fehler: Sie beteten nicht zu Gott und baten ihn nicht um Weisheit.
Stattdessen schlossen sie schnell einen Friedensvertrag mit den Fremden. Sie schworen bei Gottes Namen, dass diese Männer und ihr Volk am Leben bleiben durften. Ein heiliger Eid war gesprochen - und der konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Die schockierende Wahrheit
Drei Tage später machte sich das israelitische Heer auf den Weg, um weitere Städte zu erobern. Da entdeckten sie etwas Schreckliches: Die "Fremden aus dem fernen Land" waren gar nicht von weit her gekommen! Sie wohnten hier in Kanaan, nur wenige Tagesmärsche von Gilgal entfernt.
Die ganze Geschichte war eine Lüge gewesen! Die Männer gehörten zu den Gibeonitern, einem mächtigen Volk mit vier großen Städten. Sie hatten sich nur als arme Reisende verkleidet, um ihr Leben zu retten.
Als das Volk Israel die Wahrheit erfuhr, waren alle wütend. "Wie konnten wir nur so dumm sein!", riefen sie. "Diese Betrüger haben uns hereingelegt!" Viele wollten die Gibeoniter trotzdem angreifen und ihre Städte zerstören.
Ein Versprechen ist ein Versprechen
Aber Josua und die anderen Anführer weigerten sich. "Wir haben ihnen bei Gottes Namen geschworen", sagten sie. "Ein Eid im Namen des Herrn ist heilig. Wir können ihn nicht brechen, auch wenn er durch Betrug entstanden ist."
Das war eine wichtige Lektion: Ein Versprechen muss gehalten werden, auch wenn es uns schadet. Gott hasst Lügen, aber er hasst es genauso, wenn Menschen ihr Wort brechen.
Die Gibeoniter hatten versprochen, ihre falschen Götter aufzugeben und nur noch den wahren Gott anzubeten. Deshalb durften sie leben. Aber für ihren Betrug mussten sie trotzdem bezahlen.
Die Strafe für die Lüge
Josua rief die Anführer der Gibeoniter zu sich. "Warum habt ihr uns belogen?", fragte er sie. "Ihr wohnt hier mitten unter uns, aber ihr habt behauptet, aus einem fernen Land zu kommen!"
Die Gibeoniter warfen sich vor Josua auf den Boden. "Wir hatten solche Angst vor euch!", gestanden sie. "Wir wussten, dass euer Gott euch befohlen hat, alle Völker Kanaans zu vernichten. Wir wollten nur unser Leben retten!"
Josua nickte ernst. "Ihr dürft leben, weil wir es geschworen haben. Aber ihr werdet für eure Lüge bezahlen. Von nun an seid ihr unsere Diener. Ihr werdet Holz hacken und Wasser schöpfen für Gottes Heiligtum."
Die Gibeoniter nahmen diese Strafe dankbar an. Lieber Sklaven als tot! Jahrhundertelang dienten ihre Nachkommen am Tempel Gottes. Jedes Mal, wenn jemand sie bei ihrer niedrigen Arbeit sah, erinnerte er sich daran: So bestraft Gott die Lüge.
Ein besserer Weg
Dabei hätten die Gibeoniter gar nicht lügen müssen! Gott hatte schon längst einen Weg vorgesehen für Menschen aus anderen Völkern, die ihm dienen wollten. Sie konnten sich den Israeliten ehrlich anschließen und wurden dann wie Familienmitglieder behandelt.
"Wenn Fremde bei euch wohnen wollen", hatte Gott gesagt, "sollt ihr sie nicht schlecht behandeln. Sie sollen bei euch leben wie eure eigenen Kinder. Ihr sollt sie lieben wie euch selbst."
Wenn die Gibeoniter ehrlich gewesen wären, hätten sie alle Rechte und Segnungen Israels bekommen. Stattdessen brachte ihre Lüge ihnen Jahrhunderte der Sklaverei ein.
Gefahr für Gibeon
Die anderen Könige Kanaans waren entsetzt, als sie hörten, dass Gibeon Frieden mit Israel geschlossen hatte. "Das können wir nicht zulassen!", riefen sie. "Wenn andere Städte diesem Beispiel folgen, sind wir verloren!"
Fünf mächtige Könige schlossen sich zusammen: der König von Jerusalem, der König von Hebron, der König von Jarmut, der König von Lachis und der König von Eglon. Mit ihren vereinten Heeren zogen sie gegen Gibeon, um die Stadt zu bestrafen.
Die Gibeoniter sahen die riesige Armee anrücken und bekamen große Angst. Ihre eigenen Soldaten waren zwar tapfer, aber gegen so viele Feinde hatten sie keine Chance. In ihrer Not sandten sie einen Boten zu Josua nach Gilgal.
"Hilfe!", rief der Bote. "Fünf Könige haben sich gegen uns verbündet! Bitte komm schnell und rette uns! Du hast versprochen, uns zu beschützen!"
Josuas schwere Entscheidung
Josua stand vor einer schweren Entscheidung. Die Gibeoniter hatten ihn belogen und betrogen. Warum sollte er ihnen jetzt helfen? Viele seiner Soldaten dachten genauso.
Aber Josua wusste: Ein Versprechen ist ein Versprechen. Die Gibeoniter hatten sich unter Israels Schutz gestellt und ihren Götzendienst aufgegeben. Jetzt waren sie seine Verantwortung.
Außerdem war Gibeon eine wichtige Stadt. Sie lag genau an den Bergpässen, die nach Süden und in die Mitte des Landes führten. Wenn die fünf Könige Gibeon eroberten, konnten sie Israel den Weg versperren.
Diesmal machte Josua nicht denselben Fehler wie beim ersten Mal. Er betete zu Gott und bat um Rat. Und Gott antwortete ihm: "Hab keine Angst vor diesen Königen! Ich gebe sie in deine Hand. Keiner von ihnen wird dir widerstehen können."
Der nächtliche Marsch
Sofort rief Josua seine besten Soldaten zusammen. Die ganze Nacht marschierten sie bergauf, von Gilgal zu den Hügeln, wo Gibeon lag. Es war ein anstrengender Weg, aber sie wussten: Geschwindigkeit war alles.
Als die Morgensonne aufging, sahen die fünf Könige plötzlich die israelitische Armee vor sich. Sie hatten nicht damit gerechnet, dass Josua so schnell kommen würde! Der Überraschungsangriff gelang vollkommen.
Die feindlichen Soldaten gerieten in Panik und flohen in alle Richtungen. Josua und seine Männer verfolgten sie den steilen Bergpfad hinunter nach Beth-Horon. Aber dann geschah etwas noch Erstaunlicheres.
Steine vom Himmel
Während die fliehenden Feinde den Berg hinunterrasten, verdunkelte sich plötzlich der Himmel. Schwarze Wolken zogen auf, und ein furchtbarer Hagelsturm brach los. Aber es waren keine gewöhnlichen Hagelkörner - es waren riesige Eisklumpen, so groß wie Steine!
Die Hagelsteine trafen nur die fliehenden Feinde, nicht die Israeliten. Mehr Soldaten starben durch den Hagel als durch israelitische Schwerter. Gott selbst kämpfte für sein Volk!
Aber Josua sah ein Problem: Die Sonne würde bald untergehen. In der Dunkelheit würden die übrigen Feinde entkommen und sich in den Bergen verstecken. Dann könnten sie sich neu sammeln und später wieder angreifen.
Das größte Wunder
Da geschah etwas, was nie zuvor und nie danach passiert ist. Josua hob seine Hände zum Himmel und rief vor allen seinen Soldaten: "Sonne, bleib stehen über Gibeon! Und du, Mond, bleib stehen über dem Tal Ajalon!"
Und das Unmögliche geschah: Die Sonne blieb stehen! Sie bewegte sich nicht weiter über den Himmel, sondern blieb an derselben Stelle. Fast einen ganzen Tag lang schien sie, ohne unterzugehen. Auch der Mond blieb sichtbar am Himmel stehen.
So hatten Josua und seine Soldaten genug Zeit, um alle Feinde zu besiegen. Keiner entkam. Die fünf Könige wurden gefangen genommen, und ihre Heere waren völlig vernichtet.
Ein Tag wie kein anderer
"Es gab keinen Tag wie diesen, weder vorher noch nachher", steht in der Heiligen Schrift geschrieben. "An diesem Tag hörte Gott auf die Stimme eines Menschen und kämpfte für Israel."
Wie war das möglich? Gott ist der Herr über alles - über die Sterne, die Planeten, die Sonne und den Mond. Was er geschaffen hat, das kann er auch lenken. Für ihn ist nichts unmöglich.
Josua hatte nicht aus Überheblichkeit gebetet. Gott selbst hatte ihm den Mut dazu gegeben. Josua tat alles, was ein Mensch tun konnte - er marschierte die ganze Nacht, kämpfte tapfer und verfolgte die Feinde. Aber dann brauchte er Gottes Hilfe, und Gott gab sie ihm.
Die wichtigen Lektionen
Diese Geschichte lehrt uns viele wichtige Dinge:
Erstens: Wir sollen immer Gott um Rat fragen, bevor wir wichtige Entscheidungen treffen. Josua vergaß das beim ersten Mal und fiel auf die Lüge der Gibeoniter herein.
Zweitens: Ein Versprechen muss gehalten werden, auch wenn es uns schadet. Josua hätte die Gibeoniter gerne bestraft, aber er hielt sein Wort.
Drittens: Lügen bringen immer Probleme mit sich. Die Gibeoniter retteten zwar ihr Leben, aber sie wurden zu Sklaven. Ehrlichkeit wäre besser gewesen.
Viertens: Gott ist allmächtig. Er kann sogar die Sonne stillstehen lassen, wenn er für sein Volk kämpft. Nichts ist ihm unmöglich.
Fünftens: Gebet und harte Arbeit gehören zusammen. Josua betete, aber er marschierte auch die ganze Nacht. Gott hilft denen, die ihr Bestes geben.
Die Geschichte der Gibeoniter und der stillstehenden Sonne wurde zu einer der berühmtesten Geschichten in ganz Israel. Generationen von Kindern hörten davon und lernten: Gott ist treu zu denen, die ihm vertrauen. Und wenn er für uns kämpft, können wir nicht verlieren.